In einem aktuellen Streitfall hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz Folgendes herausgestellt: Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer sind aus Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Unternehmer nur unterjährige Zinsvorteile erlangt hat. Der Fall geht nun (wie bereits ein ähnlicher Fall) vor den Bundesfinanzhof.
Hintergrund: Steuernachzahlungen werden nach einer Karenzzeit von 15 Monaten verzinst (Steuererstattungen im Übrigen auch, § 233a Abgabenordnung (AO)). Ist die Zinsfestsetzung unbillig, kann das Finanzamt Zinsen (teilweise) erlassen (§ 227 AO). In der Praxis stellt sich oft die Frage, wann eine Unbilligkeit im Einzelfall vorliegt. Darum ging es auch in folgendem Fall:
Sachverhalt
Bei der Betriebsprüfung eines Unternehmens stellte der Prüfer fest, dass Umsatzsteuer aus den Niederlanden in beträchtlicher Höhe als inländische Vorsteuer abgezogen worden war und strich diesen Betrag. Das führte zu einer entsprechenden Umsatzsteuernachzahlung. Da das ursprüngliche Steuerjahr schon längst vorbei war, entstanden auch nicht unerhebliche Nachzahlungszinsen.
Das Unternehmen begehrte einen Erlass dieser Zinsen, da die niederländische Vorsteuer nicht gesetzlich geschuldet wurde und zudem (im Hinblick auf die Europäische Union) kein Steuerausfall entstanden sei, weil die Leistung in den Niederlanden als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei gewesen wäre. Damit würde die Verzinsung gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen. Das sahen das Finanzamt und das Finanzgericht anders. Im Ergebnis blieb der Antrag auf den Erlass insoweit erfolglos (siehe aber Praxistipp).
Hier die Argumente des Finanzgerichts: Eine Verzinsung sei nicht bereits deshalb unbillig, weil sich der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger per Saldo mit der Umsatzsteuer des Leistenden ausgleichen würde. Die Verzinsungsvorschrift stelle nicht auf einen Vorteil des Finanzamts, sondern des Steuerpflichtigen ab. Fakt ist, dass das Unternehmen durch den ungerechtfertigten Vorsteuerabzug einen Liquiditätsvorteil hatte. Außerdem hatte sehr wohl der deutsche Fiskus einen Steuernachteil, da nicht er die niederländische Umsatzsteuer erhalten hatte (sondern die Niederlande). Gegen das Argument der Saldierung spreche auch, dass die Vorschriften für die Entstehung der Umsatzsteuer und der Vorsteuer nicht deckungsgleich seien.
Beachten Sie: Am selben Tag hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in einem anderen Urteil entschieden, dass Nachzahlungszinsen nicht gegen EU-Recht verstoßen. Das hatte bereits der Bundesfinanzhof entschieden. Schließlich haben Nachzahlungszinsen keinen Sanktionscharakter, sondern dienen ausschließlich dem Ausgleich potenzieller Liquiditätsvorteile.
Praxistipp: Ein Teilerlass von Umsatzsteuer-Nachzahlungszinsen kann bei einer Periodenverschiebung in Betracht kommen, so auch im Urteilsfall: Das Unternehmen hatte einen Teil seiner Umsatzsteuer 2007 erst in 2008 abgeführt (und in der am 16.2.2009 eingereichten Jahressteuererklärung für 2008 erklärt). Nun kam es durch die Betriebsprüfung zu Korrekturen in 2007, die Nachzahlungszinsen in Höhe von rund 267.000 EUR auslöste. Zugleich musste die Umsatzsteuer 2008 geändert werden, was zu Erstattungszinsen von rund 240.000 EUR führte. Der Saldo von rund 27.000 EUR war zu erlassen.
Quellen
- FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.4.2024, Az. 3 K 1447/23, Rev. beim BFH unter Az. V R 8/24; bereits anhängige Rev. beim BFH unter Az. V R 14/23; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.4.2024, Az. 3 K 1936/22; BFH, Beschluss vom 1.3.2024, Az. V B 34/23 (AdV)